Pflicht zur Zahlung von Mindestlohn oder sonstigen tariflichen Lohnregelungen

Als Arbeitgeber müssen Sie dringend und jederzeit auf die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften achten.

Dies gilt selbstverständlich im Hinblick auf die Anwendung der seit dem 01.01.2015 geltenden Vorschriften zum gesetzlichen Mindestlohn. Schwierigkeiten ergeben sich bspw. bei der Prüfung, ob auf das Unternehmen ein Branchentarifvertrag Anwendung findet, bei der Beschäftigung und Abgrenzung geringfügig Beschäftigter, Subunternehmer oder Scheinselbständiger, aber auch bei wechselnder Tätigkeit des Unternehmens in den verschiedenen Tarifgebieten Ost- und West-Deutschland. Nach dem AEntG sind derzeit in mehreren Branchen Mindestlohn-Tarifverträge anzuwenden.

Zur Klärung sozialversicherungsrechtlicher Verhältnisse und damit Reduzierung des Risikos illegaler Beschäftigung empfiehlt sich das Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV.

Nach weit zurückreichenden Betriebsprüfungen der Zollbehörden können erhebliche Probleme im Zusammenhang mit der Unterschreitung tariflicher Mindestlöhne auftauchen.
So droht bereits die Einleitung eines Strafverfahrens nach § 266 a StGB wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.

Der objektive Tatbestand nach § 266 a StGB ist schon dann erfüllt, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei der Fälligkeit nicht an die zuständige Einzugsstelle abführt, obwohl er dazu in der Lage war.

Die Beitragspflicht entsteht dabei allein durch die versicherungspflichtige Beschäftigung des Arbeitnehmers gegen Entgelt. Bei Tariflohnunterschreitungen ist die Höhe der Beitragsschuld gem. §§ 14 I, 23 I SGB IV nicht aufgrund des gezahlten oder unwirksam vereinbarten untertariflichen Lohnes, sondern nach dem Tariflohn zu berechnen (so grundlegend OLG Naumburg, Beschluss v. 01.12.2010 – 2 Ss 141/10, juris).

„Kann ich aufatmen, wenn das Strafverfahren durch Zahlung einer Geldauflage nach § 153 a StPO eingestellt wurde?“

Leider nein: Denn neben dem Strafverfahren droht wegen der Mindestlohnunterschreitung an sich die Einleitung eines zusätzlichen Ordnungswidrigkeitenverfahrens nach § 21 I Nr. 9 MiLoG oder nach § 23 I Nr. 1 AEntG mit empfindlichen Bußgeldern. Straf- und bußgeldrechtliche Vorwürfe stehen im Verhältnis der sog. Tatmehrheit zueinander (§ 53 StGB), die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit wird nicht durch eine o.a. Verfahrenseinstellung „verbraucht“ (BGH, Beschlussv. 15.03.2012 – 5 StR 288/11).

Beispiele für Ordnungswidrigkeitstatbestände nach dem MiLoG:

Nach § 21 I Nr. 9 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig den gesetzlichen Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt (letzter Bankarbeitstag des auf die Erbringung der Arbeitsleistung folgenden Monats). Zu prüfen wird dann beispielsweise im arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzverfahren sein, ob eine Kündigung missbräuchlich unter Umgehung der Mindestlohnverpflichtungen erfolgt ist. Das könnte dann der Fall sein, wenn sich dem Arbeitgeber aufdrängen musste, dass die erklärte Kündigung unter keinen Umständen rechtlichen Bestand haben kann, sondern ohne jede Grundlage ausgesprochen wurde.

Nach § 21 II MiLoG handelt ordnungswidrig, wer Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt, indem er als Unternehmer einen anderen Unternehmer beauftragt, von dem er weiß oder fahrlässig nicht weiß, dass dieser bei Auftragserfüllung den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt oder einen Nachunternehmer einsetzt oder zulässt, dass ein Nachunternehmer tätig wird, der den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zahlt. Abgesehen von allgemeinen Sorgfaltspflichten bestehen für den Unternehmer spätestens dann konkrete Kontrollpflichten, wenn für ihn objektive Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Anforderungen gegen das MiLoG vorliegen. In Betracht kommt hier bspw. ein sog. Auswahlverschulden bei ungewöhnlich geringer Vergütung für den Subunternehmer (als Indiz für eine Mindestlohnunterschreitung) oder der Verstoß gegen Kontrollobliegenheiten, sobald sich später Anhaltspunkte ergeben oder aufdrängen, dass ein beauftragter Dritter seinen Mitarbeitern die Zahlung des Mindestlohns vorenthält.

Nach § 21 I Nr. 7 MiLoG handelt ordnungswidrig, wer Aufzeichnungen zur Arbeitszeit nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt oder nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt. Eine identische Regelung gilt nach § 23 I Nr. 8 AEntG bspw. für Unternehmen im Bereich des Bundesrahmentarifvertrags Bau.

Alle Arbeitgeber, die geringfügig Beschäftigte oder Arbeitnehmer in den Wirtschaftsbereichen nach § 2a SchwArbG beschäftigen, müssen Beginn, Ende und Dauer jedes Arbeitnehmers an jedem Arbeitstag dokumentieren und aufbewahren. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht auch an den Arbeitnehmer übertragen. Allerdings bleibt der Arbeitgeber bei nachlässiger Kontrolle und Verletzung der Aufzeichnungspflicht haftbar.

Folgen aus Ordnungswidrigkeitentatbeständen:

Gem. § 21 III MiLoG kann wegen Verstößen gegen § 21 I Nr. 9, II MiLoG eine Geldbuße von bis zu 500.000,- EUR verhängt werden, in den übrigen Fällen bis 30.000,- EUR.

Wenn gegen ein Unternehmen auf der Grundlage von § 21 MiLoG eine Geldbuße von wenigstens 2.500,- EUR verhängt wurde, kann es gem. § 19 MiLoG von öffentlichen Aufträgen nach § 98 GWB ausgeschlossen werden.

„Muss ich das alles kennen?“

Ja. Es trifft Sie eine allgemeine umfassende Erkundigungspflicht (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2003 – 2 Sss (OWi) 158B/02).

„Aber das hätte doch mein Steuerberater wissen müssen!?“

Unabhängig von der Frage des Pflichtenumfangs eines Steuerberaters: Diese Behauptung wird Ihnen im Zweifel wenig nützen. Die Unvermeidbarkeit eines sog. Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Betroffene alle seine geistigen Erkenntniskräfte eingesetzt und etwa aufkommende Zweifel durch Nachdenken oder erforderlichenfalls durch Einholung verlässlichen und sachkundigen Rechtsrats beseitigt hat.

Dabei müssen sowohl die Auskunftsperson als auch die Auskunft aus der Sicht des Betroffenen verlässlich sein; die Auskunft selbst muss zudem einen unrechtsverneinenden Inhalt haben. Eine Auskunft ist in diesem Sinne nur dann verlässlich, wenn sie objektiv, sorgfältig, verantwortungsbewusst und insbesondere nach pflichtgemäßer Prüfung der Sach- und Rechtslage erteilt worden ist. Hinzu kommt, dass der Betroffene nicht vorschnell auf die Richtigkeit eines ihm günstigen Standpunkts vertrauen und seine Augen nicht vor gegenteiligen Ansichten und Entscheidungen verschließen darf. Maßgebend sind die jeweils konkreten Umstände, insbesondere seine Verhältnisse und Persönlichkeit; daher sind zum Beispiel sein Bildungsstand, seine Erfahrung und seine berufliche Stellung zu berücksichtigen. Holt der Betroffene bei einem auf dem betreffenden Rechtsgebiet versierten Anwalt Rat ein, so hat er damit das zunächst Gebotene getan. Jedoch ist weiter erforderlich, dass er auf die Richtigkeit der Auskunft nach den für ihn erkennbaren Umständen vertrauen darf. Er darf sich nicht allein deswegen auf die Auffassung eines Rechtsanwalts verlassen, weil sie seinem Vorhaben günstig ist. Eher zur Absicherung als zur Klärung bestellte Gefälligkeitsgutachten scheiden als Grundlage unvermeidbarer Verbotsirrtümer ebenso aus, wie Auskünfte, die erkennbar vordergründig und mangelhaft sind oder nach dem Willen des Anfragenden lediglich eine „Feigenblattfunktion“ erfüllen sollen (BGH, Beschluss vom 04.04.2013 – 3 StR 521/12, juris).

Ein Verbotsirrtum ist allerdings nicht allein vermeidbar, weil sich der Betroffene nicht um eine kompetente Beratung bemüht hat, mithin seiner Erkundigungspflicht nichtgekommen ist, vielmehr ist auch erforderlich, dass eine solche Erkundigung auch zu einer richtigen Antwort geführt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2016 - 5 StR 332/15; StV 2017, 76 ff).